Was du auf dem Titelbild siehst, ist das ehemalige Salpeterwerk Humberstone. Dieses Werk liegt nahe des zwanzigsten südlichen Breitengrades am Rande der Pampa del Tamarugal in der Wüste Atacama, einem der trockensten Gebiete der Erde. In diesem Gebiet lagert das weltweit reichste Vorkommen an Natriumnitrat oder Chilesalpeter. Seit Salpeter als Düngemittel entdeckt wurde, ist er dort abgebaut worden. Aufgrund seiner Kostbarkeit wurde Salpeter früher auch als weiβes Gold bezeichnet. Es verwundert deshalb nicht, dass um die Bodenschätze Krieg geführt wurde. Diese Auseinandersetzung zwischen Bolivien, Peru und Chile wird darum auch als Salpeterkrieg bezeichnet. Aber was ist Salpeter überhaupt - und warum wurde das Werk stillgelegt?
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Was ist Salpeter?
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Unter dem Begriff Salpeter werden verschiedene häufig vorkommende Nitrate zusammengefasst. In Humberstone wurde hauptsächlich Natriumnitrat gewonnen, das umgangssprachlich auch oft als Chilesalpeter bezeichnet wird. Dieses Natriumnitrat entsteht in ariden, heiβen und vegetationslosen Gebieten durch die Zersetzung von stickstoffhaltigen Stoffen, vor allem von tierischen Exkrementen wie Guano, und deren Anreicherung als Caliche. Im Norden von Chile und im Süden von Peru lagern die bei weitem gröβten Vorkommen dieses Rohstoffes.
Der Salpeterboom und seine wirtschaftlichen Auswirkungen
Salpeter war im 19. Jahrhundert die einzige bekannte Quelle, um in ausreichender Menge Stickstoff für Düngemittel (und auch für die Waffenindustrie) zu gewinnen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die Entdeckung der Bedeutung von Stickstoff als Düngemittel im Norden des heutigen Chile (damals noch peruanisches Territorium) einen Boom auslöste.
Die meisten Salpeterwerke befanden sich in der Hand britischer Firmen oder einheimischer Investoren, die durch das gewinnträchtige Transportgeschäft zu sogenannten Salpeterbaronen aufstiegen. Aber nicht nur die Besitzer machten Profit, auch das Land erlebte durch den Salpeterexport einen Wirtschaftsaufschwung. 1910 produzierte Chile 65% des weltweiten Bedarfs an Düngemitteln und rund 80% des chilenischen Auβenhandels beruhten auf dem Salpeterexport.
Was blieb, war eine Geisterstadt ...
Direkt neben dem ehemaligen Salpeterwerk befindet sich die gleichnamige Stadt Humberstone, die heute nicht mehr bewohnt, hingegen jedoch als UNESCO-Weltkulturerbe unter Schutz gestellt ist. Sie ist nicht die einzige sogenannte Geisterstadt in der Atacama-Wüste: wenige hundert Kilometer entfernt befindet sich in der Nähe einer Kupfermine die Geisterstadt Chuquicamata.
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Humberstone
Mit dem Beginn des ersten Weltkriegs brach der Salpeterboom ein. Der Seeweg war unsicher und blockiert. Nachdem in Deutschland das Haber-Bosch-Verfahren zur Herstellung von synthetischem Salpeter entwickelt worden war, brachte die Ausbeutung des Wüstenbodens nicht mehr den erwünschten Gewinn. In den 50er-Jahren kam der wirtschaftliche Zusammenbruch. 1961 wurde das Salpeterwerk dann endgültig geschlossen. In den 1970er-Jahren wurden die Stadt und das Salpeterwerk als Museum zugänglich gemacht, und 2005 in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen.
In Chile gibt es rund 130 derartige Industrieinseln, die früher das Leben der Menschen prägten und viele Arbeitsplätze lukrierten. Aus diesem Grund siedelten sich die ArbeiterInnen nahe der Salpeterwerke an. Ganze Siedlungen entstanden rund um die Werke und so können beispielsweise ein Kiosk, ein Krankenhaus, ein Wassertank usw. als Relikte längst vergangener Zeit dort aufgefunden werden. Durch den anhaltenden Wüstenwind, unterschiedliche Erdbeben und Plünderungen kommt es zu einem steten Verfall der Gebäudekonstruktionen, die so zu sich ständig wandelnden Skulpturen überformt werden.
Chuquicamata
Ganz anders hingegen ist die Situation in Chuquicamata: in dieser einer der gröβten Kupferminen der Welt (siehe Beitrag zur Kupfermine Chuquicamata) arbeiten etwa 12.000 Menschen. Die Betreiber bauten eine eigene Stadt gleich neben der Mine, damit die ArbeiterInnen und deren Familien näher bei ihrem Arbeitsplatz wohnen können, und gleichzeitig in einer gröβeren Abhängigkeit zum Betreiber stehen. In dieser Stadt gab es ein eigenes Krankenhaus, eine Schule, eine Eisenbahn und sogar eine eigene Polizei. Angeblich gab es auch eine eigene Währung, wodurch die Arbeiter und Arbeiterinnen nur in der Stadt Chuquicamata einkaufen konnten. Wie der Name des Hotel Washington rechts im Bild zeigt, war der nordamerikanische Einfluss sehr groβ.
Heute ist die Stadt unbewohnt, die letzten Bewohner wurden allerdings erst im Jahr 2007 ins nahe gelegene Calama umgesiedelt. Deshalb sind die Gebäde modern und noch in relativ gutem Zustand. Der Betreiber der Mine betont, dass wegen des Kupferabbaus giftige Stoffe entstehen, wodurch die Gesundheit der BewohnerInnen gefährdet ist. Es gibt jedoch auch Vermutungen, dass unter der Stadt noch mehr Kupfer liegt und der Betreiber dieses abbauen will, weshalb die Menschen die Stadt verlassen mussten. Die Abraumhalden der Mine haben jedenfalls bereits einen Teil der Stadt verschüttet.
Geisterstädte gibt es auch in anderen Teilen der Welt. Sehr oft stehen sie mit (aufgelassenem) Bergbau in Zusammenhang (z.B. Bodie in Kalifornien), manchmal aber auch mit Naturrisiken oder gar Naturkatastrophen: so wurde die Stadt Craco in Süditalien wegen Hangbewegungen aufgelassen, oder die Stadt Beichuan in China 2008 von einem Erdbeben und den darauffolgenden Massenbewegungen zerstört und andernorts wieder aufgebaut.
.Video eines Drohnenflugs über die Geisterstadt Humberstone:
https://www.youtube.com/watch?v=q5BnAxUSyS8
Brühwiller, T. (2014): Chiles tragende Säule. Neue Zürcher Zeitung, 14.1.2014 [Quelle öffnen]
Peters, R. (2015): Chucicamata - Der Schlund aus dem das Kupfer kommt. ntv, 22.8.2015 [Quelle öffnen]
Romanowski, C. (2011): Humberstone - Eine Stadt auf Zeit. SWR, 21.9.2011 [Quelle öffnen]
Wisniak, J. & Garces, I. (2001): The rise and fall of the salitre (sodium nitrate) industry. Indian Journal of Chemical Technology 8: 427-438 [Quelle öffnen]
Wikipedia-Artikel zu den Salpeterwerken Humberstone und Santa Laura [Quelle öffnen]
Wikipedia-Artikel zu Chuquicamata [Quelle öffnen]
Dieser Beitrag wurde von Martin Mergili überarbeitet und ergänzt.