Bewegt man sich von Santiago de Chile entlang der Küste 1000 km in Richtung Norden, so gelangt man in eine der trockensten Wüsten der Welt (bereise am besten das Transekt Iquique - Catamarca um mehr darüber zu erfahren). 1000 km südlich von Santiago jedoch sieht die Sache komplett anders aus: hier wehen die Winde aus westlicher Richtung vom Pazifik. Die feuchten Luftmassen werden am Andenwesthang zum Aufsteigen gezwungen, der Wasserdampf kondensiert und es kommt zu ergiebigen Niederschlägen. Das Ergebnis ist die geheimnisvolle Welt des Valdivianischen Regenwaldes. Mit der Alerce (Fitzroya cupressoides) hat hier eine uralte Koniferenart ihr letztes Refugium. Leider wurden die Wälder vor allem in der Küstenkordillere und im Längstal durch den Menschen weitgehend zerstört. Der Nationalpark Alerce Andino, von Puerto Montt aus relativ bequem zu erreichen, bietet noch einen Einblick in dieses einst weit verbreitete Ökosystem.
Die Alerce: ein Methusalem unter den Bäumen
Namensgebend für den Nationalpark ist die Alerce (Fitzroya cupressoides), eine bis zu 60 m hohe Konifere. Die Alerce kann Stammdurchmesser von etlichen Metern erreichen. Sie wächst sehr langsam und kann ein geradezu biblisches Alter erreichen: für ein Exemplar wurde ein Alter von über 3600 Jahren nachgewiesen. Im Gegensatz zur Chilenischen Araukarie gehört die Alerce den Zypressengewächsen an, die auch auf der Nordhalbkugel häufig vorkommen. Fitzroya cupressoides selbst ist allerdings selten geworden - einerseits durch langfristige Veränderungen des Klimas, andererseits aber auch durch intensive forstwirtschaftliche Nutzung. Das Vorkommen der Alerce konzentriert sich heute auf ein Gebiet beschränkter Gröβe am Westhang der Anden. Die Vorkommen in der Küstenkordillere werden hingegen als reliktisch betrachtet.
Interessanterweise sind extrem groβe und alte Koniferen oft an temperate und subtropische Regenwälder gebunden: dies gilt - um nur zwei Beispiele zu nennen - sowohl für das Coast redwood (Sequoia sempervirens) im westlichen Nordamerika als auch für den Kauri (Agathis australis) auf der Nordinsel Neuseelands.
Ein Spaziergang durch den Nationalpark Alerce Andino
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Der Valdivianische Regenwald gehört zu den temperaten Regenwädern, die sich in vielerlei Hinsicht von den bekannteren tropischen Regenwäldern unterscheiden, aber viele Ähnlichkeiten mit Bergregenwäldern aufweisen (vergleiche dazu die Beiträge zu den Yungas und zu Machu Picchu). Weiter südlich schlieβt sich der Magellanische Regenwald an (siehe dazu den Beitrag zu den Südlichen Patagonischen Anden). Temperate Regenwälder sind ebenso wie Bergregenwälder reich an Farnen und Epiphyten (hier vor allem Moosen und Flechten).